Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krull

Felix Krull: Ein Hochstapler, den wir heimlich lieben (sollten)
Hand aufs Herz: Wer von uns hat nicht schon mal ein bisschen geflunkert? Okay, vielleicht nicht ganz so dreist wie Felix Krull. Aber die Versuchung, die Realität ein wenig aufzupolieren, die kennen wir doch alle, oder?
Ich wage mal eine unpopuläre Meinung: Felix Krull ist eigentlich ziemlich sympathisch. Ja, er ist ein Hochstapler. Ja, er lügt, dass sich die Balken biegen. Aber er macht es mit so viel Charme und Eloquenz, dass man ihm einfach nicht böse sein kann.
Stellt euch vor, ihr sitzt in einem langweiligen Meeting. Euer Chef redet über irgendwelche Kennzahlen. Ihr könntet einschlafen. Und dann stellt sich heraus, dass euer Kollege, der seit Wochen mit Fachbegriffen um sich wirft, eigentlich keine Ahnung hat. Er ist der Felix Krull des Büros! Würdet ihr ihn verpetzen? Oder würdet ihr ihn heimlich bewundern?
Ich plädiere für Bewunderung! Natürlich nicht für kriminelle Machenschaften. Aber für die Fähigkeit, sich anzupassen, zu lernen und zu improvisieren. Felix Krull ist ein Meister darin, Chancen zu erkennen und zu nutzen. Er ist ein Chamäleon, das sich jeder Umgebung anpasst. Und das ist doch eigentlich eine beneidenswerte Eigenschaft, oder?
Klar, er betrügt die Leute. Er nimmt ihnen ihr Geld ab. Aber mal ehrlich: Sind wir nicht alle schon mal von irgendjemandem betrogen worden? Von einer Versicherung, von einem Autohändler, von einem Politiker… Felix Krull ist wenigstens ehrlich unehrlich. Er versteckt seine Absichten nicht hinter Phrasen und Versprechungen.
Und dann ist da noch seine unglaubliche Beobachtungsgabe. Er studiert die Menschen, er versteht ihre Schwächen und ihre Wünsche. Er weiß genau, was er sagen muss, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Ist das nicht faszinierend? Fast schon hypnotisch!
Natürlich ist sein Leben nicht ohne Risiken. Er lebt am Rande des Abgrunds. Jeder Fehler könnte ihn auffliegen lassen. Aber gerade das macht die Geschichte so spannend. Man fiebert mit ihm mit, man hofft, dass er davorkommt. Und wenn er dann wieder eine neue Lüge erfindet, um sich aus der Bredouille zu ziehen, dann muss man einfach schmunzeln.
Man könnte sagen, Felix Krull ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Er zeigt uns, wie leicht wir manipuliert werden können, wie sehr wir auf Äußerlichkeiten achten und wie bereitwillig wir Lügen glauben, wenn sie uns gut tun.
Ich bin der Meinung, dass wir von ihm lernen können. Nicht, wie man betrügt und lügt. Sondern wie man selbstbewusst auftritt, wie man sich verkauft und wie man Chancen nutzt. Und vor allem: Wie man sich selbst nicht zu ernst nimmt.
Vielleicht ist das der Grund, warum Thomas Manns Roman so zeitlos ist. Felix Krull ist kein Held, aber er ist auch kein Bösewicht. Er ist ein Mensch mit Stärken und Schwächen. Und das macht ihn so menschlich und so relatable.
Also, das nächste Mal, wenn ihr euch in einer unangenehmen Situation wiederfindet, denkt an Felix Krull. Atmet tief durch, lächelt freundlich und erfindet eine kleine Notlüge. Vielleicht kommt ihr damit ja durch.
Aber Vorsicht: Nicht übertreiben! Sonst werdet ihr noch selbst zum Hochstapler. Und das wollen wir ja nicht, oder?
Oder etwa doch?
„Die Welt will betrogen sein.“ – Felix Krull



