Gabriele Wohmann Schönes Goldenes Haar

Okay, kurze Geschichte: Ich war neulich auf einem Flohmarkt, total versunken in der Suche nach einem Vintage-Kleid (you know, das eine!), als ich zwei ältere Damen belauschte. Die eine meinte, ganz empört, über irgendwen: "Die hat sich doch tatsächlich die Haare golden gefärbt! In unserem Alter! Unmöglich!" Tja, und da war sie wieder, die Frage: Was "darf" man eigentlich wann? Und warum reden wir so über Haare?
Und genau das bringt mich zu Gabriele Wohmann und ihrem Roman "Schönes goldenes Haar". Klingt erstmal nach unbeschwerter Werbung für L'Oréal, aber weit gefehlt!
Wohmann und die "goldene" Realität
Gabriele Wohmann, die Meisterin des unbequemen Realismus, hat nämlich ein Händchen dafür, die Fassade des bürgerlichen Lebens anzukratzen. Und "Schönes goldenes Haar" ist da keine Ausnahme. Der Roman, erschienen 1958 (ja, wirklich schon so alt!), erzählt die Geschichte der jungen Eva. Sie ist, nun ja, nicht unbedingt das, was man sich unter einem strahlenden Sonnenschein vorstellt. Eher ein graues Mäuschen. Aber sie will anders sein. Besser. Und der erste Schritt dazu? Richtig geraten: Die Haare müssen golden werden!
Aber Achtung, hier kommt der Wohmann-Twist: Es geht eben nicht nur um eine harmlose Typveränderung. Evas Verwandlung ist eher ein verzweifelter Versuch, in einer Gesellschaft anzukommen, die nur nach äußeren Werten urteilt. Und da sind wir wieder bei den Flohmarkt-Damen, oder? (Denkt mal drüber nach!).
Das Buch ist natürlich viel mehr als nur eine Geschichte über gefärbte Haare. Es geht um die Erwartungen, die an junge Frauen gestellt werden, um den Druck, sich anzupassen, und um die verzweifelte Suche nach Identität. Und das alles in einer Zeit, in der "Individualität" noch lange nicht so großgeschrieben wurde wie heute.
Warum ist das heute noch relevant?
Gute Frage! Weil wir uns immer noch mit diesen Themen rumschlagen. Klar, die 50er sind vorbei, aber der Druck, "perfekt" zu sein, ist nicht weniger geworden. Im Gegenteil, Social Media hat das Ganze noch verstärkt. Instagram, TikTok, you name it – überall werden uns Bilder von "idealen" Leben und Körpern vorgegaukelt. Und da ist es doch kein Wunder, dass man sich manchmal denkt: "Ich brauch' auch so ein goldenes Haar!" (Oder die perfekte Handtasche, oder das neueste Smartphone...).
Wohmann zeigt uns aber, dass dieses "Gold" oft nur eine Illusion ist. Es ist ein Versuch, eine Leere zu füllen, die aber eigentlich tiefer liegt. Die eigentliche Frage ist doch: Was steckt wirklich hinter der Sehnsucht nach dem goldenen Haar? Was wollen wir damit erreichen? Und brauchen wir es überhaupt?
Wohmann macht es einem nicht leicht. Sie präsentiert keine einfachen Antworten, sondern wirft uns mitten ins Dilemma. Ihre Charaktere sind oft unsympathisch, ihre Geschichten düster. Aber genau das macht sie so wichtig. Sie zwingt uns, hinzuschauen, auch wenn es wehtut. Sie zwingt uns, uns selbst zu hinterfragen.
Und mal ehrlich: Ist das nicht das, was gute Literatur ausmacht? Uns zum Nachdenken anregen, uns aufrütteln, uns die Augen öffnen? (Ich finde schon!).
Also, wenn ihr mal wieder vor dem Spiegel steht und euch fragt, ob ihr wirklich diese neue Haarfarbe braucht (oder was auch immer gerade "in" ist), denkt an Eva und ihr "schönes goldenes Haar". Und fragt euch: Was will ich wirklich? Und bin ich bereit, für dieses "Gold" einen Preis zu zahlen?
Und noch was: Vielleicht sollten wir alle einfach ein bisschen toleranter sein. Gegenüber den Flohmarkt-Damen, gegenüber den Instagram-Influencern – und vor allem gegenüber uns selbst. Denn am Ende des Tages ist es doch viel wichtiger, wer wir sind, als wie wir aussehen.
Und jetzt entschuldigt mich, ich muss noch ein Vintage-Kleid finden. Aber vorher trinke ich noch einen Kaffee. Und vielleicht lasse ich meine Haare einfach so, wie sie sind. (Vielleicht...).



