Heinrich Böll Anekdote Zur Senkung Der Arbeitsmoral Interpretation

Kennt ihr das? Ihr seid am Werkeln, vielleicht im Garten, vielleicht am Schreibtisch, und habt so richtig einen Lauf. Alles flutscht, die Sonne scheint (innerlich oder äußerlich), und ihr denkt: "Heute reiße ich Bäume aus!" Und dann...kommt irgendwer und wirft einen Stein in euren Getriebesand.
Genau darum geht's in Heinrich Bölls Anekdote "Zur Senkung der Arbeitsmoral". Stell dir vor, du bist ein total motivierter Arbeiter, sagen wir ein Maurer, der mit Hingabe eine Mauer hochzieht. Richtig schön, Stein für Stein, perfekt ausgerichtet. Du bist *stolz* auf deine Arbeit! Quasi der Michelangelo unter den Maurern.
Und dann kommt ein reicher Touri daher, natürlich mit dicker Zigarre und Sonnenbrille (obwohl es vielleicht regnet – reiche Leute halt). Der fragt: "Was machen Sie denn da, mein Lieber?" So, als wäre Mauern das Dümmste überhaupt. So wie wenn dich deine Oma fragt, was du beruflich machst, und du versuchst ihr zu erklären, was "Social Media Manager" bedeutet.
Die Frage aller Fragen (oder: Warum wir plötzlich alles hinterfragen)
Der Maurer, völlig aus dem Konzept gebracht, erklärt brav, dass er eine Mauer baut. Der Touri, immer noch unbeeindruckt, fragt: "Und was machen Sie dann?"
Jetzt wird's knifflig. Der Maurer erklärt, dass er danach vielleicht noch eine Mauer baut, um Geld zu verdienen, um seine Familie zu ernähren und so weiter. Ein ganz normales Leben halt, mit Mauer, Geld und Familie. So wie bei 99% der Bevölkerung, nur eben mit mehr Mörtel.
Der Touri, der offensichtlich zu viel Zeit und Geld hat (und vielleicht auch zu viel geraucht), schlägt vor: "Warum arbeiten Sie nicht einfach *weniger*? Genießen Sie die Sonne, entspannen Sie sich, fischen Sie ein bisschen." So als würde er dir raten, dein komplettes Leben umzukrempeln, nur weil ihm gerade langweilig ist. Hast du nicht auch manchmal solche Begegnungen?
Und da liegt der Hund begraben! Der Maurer denkt nach. Und merkt plötzlich, dass der Touri eigentlich Recht hat. Er könnte *tatsächlich* weniger arbeiten, in der Sonne sitzen und fischen. Und genau *das* ist der Punkt, an dem die Arbeitsmoral flöten geht.
Die Interpretation: Mehr als nur Faulheit
Es geht in Bölls Anekdote nämlich nicht nur darum, dass der Maurer faul wird. Es geht um die Frage nach dem *Sinn* der Arbeit. Was machen wir eigentlich den ganzen Tag? Warum hetzen wir von Termin zu Termin? Nur um uns dann im Urlaub zu erholen, um dann wieder zu hetzen?
Der Touri hat dem Maurer eine Frage gestellt, die er sich vorher nie gestellt hat. Und diese Frage hat sein ganzes Weltbild ins Wanken gebracht. So wie wenn du nach Jahren des stupiden Serienmarathons plötzlich ein philosophisches Buch liest und denkst: "Oh Gott, was mache ich mit meinem Leben?!"
Die Anekdote ist also eine kleine, feine Kritik am Kapitalismus und an unserer Leistungsgesellschaft. Sie zeigt, wie schnell wir unsere Motivation verlieren können, wenn wir den Sinn in unserer Arbeit nicht mehr erkennen. Wie schnell wir uns von äußeren Einflüssen verunsichern lassen. Und wie wichtig es ist, sich ab und zu zu fragen: "Was will ich eigentlich wirklich?"
Die Moral von der Geschicht (oder: Was wir daraus lernen können)
Die Moral von der Geschicht' ist also: Lass dich nicht von reichen Touris (oder anderen Besserwissern) verunsichern! Hinterfrage zwar deinen Job und dein Leben, aber lass dich nicht gleich von einem einzigen Kommentar aus der Bahn werfen. Finde deinen eigenen Sinn in der Arbeit. Und wenn der Sinn darin besteht, dass du am Ende des Monats deine Miete bezahlen kannst, dann ist das auch völlig okay! Hauptsache, du bist zufrieden.
Und vielleicht, ganz vielleicht, solltest du dir ab und zu wirklich mal eine Auszeit gönnen und einfach nur in der Sonne sitzen. Oder fischen gehen. Oder was auch immer dich glücklich macht. Denn am Ende des Tages ist das Leben mehr als nur Mauern bauen (oder Social Media managen).
Also, das nächste Mal, wenn dir jemand deine Arbeitsmoral senken will, denk an den Maurer und den Touri. Und lächle einfach. Denn du weißt ja jetzt, was wirklich zählt.



