Jugend Ohne Gott ödön Von Horvath Charakterisierung Lehrer

Hand aufs Herz, wer hat in der Schule Jugend ohne Gott nicht gehasst? Und wer fand den Lehrer eigentlich ganz okay? Ich oute mich mal: Ich! Ja, ich wage es, die heilige Kuh der Schullektüren anzuzweifeln. Kommt mit, wir schauen uns den Mann mal genauer an.
Der Lehrer: Ein Held wider Willen?
Okay, er ist kein strahlender Ritter. Eher so ein... verknitterter Pädagoge. Aber ist er wirklich so schlimm, wie alle tun? Horváth zeichnet ihn ja bewusst ambivalent. Er ist feige, ja. Er knickt ein, ja. Er ist ein Produkt seiner Zeit, absolut. Aber ist er nicht auch ein bisschen... wir?
Er steht da, umgeben von Schülern, die ideologisch verblendet sind. Die Hitlerjugend feiert, die Ideale sind verzerrt. Was soll er machen? Sich offen gegen das System stellen? Klar, wäre heldenhaft. Wäre aber auch...tödlich dumm. Und wer von uns wäre im Ernstfall wirklich der Held?
Ich sage nicht, er ist unschuldig. Seine Passivität ist natürlich Teil des Problems. Aber ich finde, er wird oft unfair behandelt. Er ist kein Monster, sondern ein Mensch. Ein schwacher Mensch vielleicht, aber eben ein Mensch.
Die Schüler: Kleine Monster?
Und die Schüler? Sind die wirklich so unschuldig? Ich meine, N und Z sind ja nun wirklich keine Engel. Die sind von der Ideologie total verblendet und verhalten sich teilweise echt grausam. Da fragt man sich schon, wer hier die eigentlichen Bösewichte sind.
Klar, die Erziehung spielt eine Rolle. Das System ist schuld. Aber am Ende des Tages tragen die Jugendlichen auch Verantwortung für ihr Handeln. Oder etwa nicht? Ist es nicht zu einfach, alles auf die Umstände zu schieben?
"Ich bin eben so erzogen worden!"
Ja, mag sein. Aber irgendwann muss man doch auch mal anfangen, selbst zu denken. Oder?
Die Tat: Ein Unfall oder kalte Berechnung?
Und dann der Mord. War es ein Unfall? Oder pure Bosheit? Ich glaube, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Es ist eine Mischung aus jugendlicher Überheblichkeit, Gruppenzwang und natürlich der ganzen vergifteten Atmosphäre. Eine explosive Mischung.
Der Lehrer versucht ja sogar, die Situation zu entschärfen. Er will vermitteln, er will die Jugendlichen zur Vernunft bringen. Aber er scheitert. Weil er zu schwach ist? Vielleicht. Aber auch, weil die Ideologie schon zu tief sitzt.
Die "Erweckung": Zu spät?
Am Ende kommt ja dann diese "Erweckung". Der Lehrer erkennt seine Fehler, bereut seine Passivität. Aber ist das genug? Reicht es, am Ende die Augen zu öffnen, wenn man vorher so lange weggesehen hat?
Ich finde, die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Klar, besser spät als nie. Aber das ändert ja nichts an dem, was passiert ist. Das Unrecht ist geschehen. Und die Frage ist, ob er das jemals wiedergutmachen kann.
Mein "Unpopular Opinion"
Hier kommt's: Ich finde, der Lehrer in Jugend ohne Gott ist eine der interessantesten Figuren. Er ist kein Held, aber auch kein reines Monster. Er ist ein Spiegelbild unserer eigenen Schwächen, unserer eigenen Ängste. Und vielleicht ist das der Grund, warum wir ihn so hassen. Weil er uns daran erinnert, wie feige wir selbst manchmal sind.
Und hey, vielleicht sollten wir aufhören, immer nach Helden zu suchen. Vielleicht reicht es, wenn wir einfach versuchen, ein bisschen weniger feige zu sein. Jeden Tag ein bisschen. Das wäre doch schon mal ein Anfang. Oder was meint ihr?
Also, beim nächsten Mal, wenn ihr Ödön von Horváth lest, denkt mal kurz an den Lehrer. Vielleicht seht ihr ihn dann mit anderen Augen. Vielleicht. Und vielleicht ist das ja auch die eigentliche Botschaft des Buches: Nicht urteilen, sondern verstehen. Oder zumindest versuchen, zu verstehen.



