Meine Erwachsene Tochter Macht Mich Kaputt

Meine erwachsene Tochter. Hach. Eigentlich sollte das eine Zeit der Freude sein, oder? Sie fliegt aus dem Nest, wird selbstständig... Theorie und Praxis, Leute! Theorie und Praxis.

Klar, ich liebe meine Tochter. Bis zum Mond und zurück, wie man so schön sagt. Aber manchmal, ganz ehrlich, manchmal macht sie mich einfach fertig. Kaputt. Ausgelaugt. Und ich glaube, ich bin damit nicht allein.

Da ist zum Beispiel der ständige Anrufmarathon. "Mama, kannst du mir kurz helfen? Nur eine Kleinigkeit!" Diese "Kleinigkeit" entpuppt sich dann meistens als ein stundenlanges Beratungsgespräch über die optimale Avocado-Reife für die perfekte Guacamole. Oder die korrekte Reihenfolge der Steuerformulare. Als ob ich das alles auswendig wüsste!

Und dann die Besuche. Natürlich freue ich mich, wenn sie kommt. Wirklich. Aber muss sie wirklich alles mitbringen? Ihr halbes WG-Zimmer scheint neuerdings in meinem Wohnzimmer zu lagern. Stapel von Klamotten, Bücher über alternative Heilmethoden und eine Sammlung von Zimmerpflanzen, die meine Bedenken hinsichtlich der Luftqualität meiner Wohnung ignoriert.

"Mama, das ist doch nur vorübergehend!"

Vorübergehend. Dieses Wort. Es hallt in meinem Kopf wie ein schlechter Ohrwurm. Vorübergehend ist scheinbar ein dehnbarer Begriff, der sich locker über mehrere Monate erstrecken kann.

Und dann diese ewigen Diskussionen. Über Politik. Über Klimawandel. Über die ethische Vertretbarkeit von Avocado-Toasts. Ich bin ja offen für Diskussionen. Wirklich! Aber manchmal wünsche ich mir einfach nur ein friedliches Abendessen, ohne mich rechtfertigen zu müssen, warum ich noch Fleisch esse oder meine Socken nicht fair gehandelt sind.

Es ist ja nicht so, dass ich sie nicht verstehen würde. Das Leben ist kompliziert. Die Welt ist ungerecht. Und der Druck auf junge Erwachsene ist enorm. Aber manchmal, ganz ehrlich, wünsche ich mir einfach nur ein bisschen Ruhe. Ein bisschen Zeit für mich. Ohne das schlechte Gewissen, eine Rabenmutter zu sein, weil ich nicht 24/7 für die Avocado-Beratung zur Verfügung stehe.

Ich weiß, ich weiß. Das klingt jetzt alles furchtbar egoistisch. Aber vielleicht ist es auch einfach nur ehrlich. Und vielleicht sitzen da draußen noch andere Mütter, die heimlich nicken und denken: "Ja, genau so ist es!"

Wir lieben unsere Töchter. Wir wollen nur, dass sie glücklich sind. Aber manchmal, liebe Töchter, manchmal brauchen wir auch ein bisschen Mama-Zeit. Zum Durchatmen. Zum Kräfte sammeln. Und vielleicht sogar zum heimlichen Genießen eines nicht-fair-gehandelten Schokoriegels, ohne moralische Standpauke.

Also, liebe Tochter (falls du das liest!): Ich liebe dich. Aber bitte, bring beim nächsten Besuch weniger Pflanzen mit. Und vielleicht googlest du die Steuerformulare einfach selbst?

Die Sache mit dem Perfektionismus

Apropos googeln… Kennt ihr das, wenn eure Tochter alles perfekt machen will? Jobsuche? Einwandfreie Bewerbungsunterlagen, natürlich von drei Experten Korrektur gelesen. Wohnungssuche? Nur die Top-Lage mit ökologischem Anstrich und barrierefreiem Zugang. Dating? Nur der Mann/die Frau mit Doktortitel, Weltoffenheit und dem gleichen Lieblingsbuch.

Ich will ihr ja nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Aber manchmal denke ich mir: Kind, das Leben ist kein Instagram-Filter! Fehler sind erlaubt. Kompromisse sind notwendig. Und manchmal ist das Unperfekte das Schönste.

Und das versuche ich ihr dann zu erklären. Mit viel Geduld. Mit sanften Worten. Und mit dem Ergebnis, dass ich am Ende selbst verunsichert bin, ob meine Lebensentscheidungen überhaupt richtig waren.

Und Trotzdem...

Trotz aller Avocado-Diskussionen, Pflanzen-Stapel und Perfektions-Anfälle: Ich bin stolz auf meine Tochter. Auf ihren Mut. Auf ihre Intelligenz. Auf ihr großes Herz.

Und ich weiß, dass sie ihren Weg gehen wird. Auch wenn er nicht immer einfach ist. Auch wenn er mich manchmal an den Rand des Wahnsinns treibt.

Denn am Ende des Tages ist sie meine Tochter. Und ich werde sie immer lieben. Auch wenn sie mich kaputt macht.